VERLEUGNUNG IST MENSCHLICH

Eine Übersetzung von ecoshock.org/2017/01/climate-denial-is-human.html

AJIT VARKI: VERLEUGNUNG IST MENSCHLICH

Nach Jahrzehnten großer wissenschaftlicher Arbeit zum Klimawandel bekommen wir eine amerikanische Regierung, die sich aus klimawissenschaftlichen Verweigerern zusammensetzt. Wie ist das möglich? Antworten hat Ajit Varki in seinem  Buch “Denial: Selbstbetrug, falsche Überzeugungen und die Ursprünge des menschlichen Geistes.” gefunden.

Dr. Ajit Varki

Ajit Varki  ist ein beeindruckender Professor für Medizin und Pionierforscher von der University of California in San Diego. Sein facettenreicher Geist wagt sich in die Ursprünge des Menschen, und wie sich herausstellt, findet er einen kritischen Mechanismus des menschlichen Bewusstseins.

Verstehen Sie die Rolle der Verleugnung, sagt Varki, und Sie verstehen eine Menge über Ihr eigenes Leben und die Zivilisation um uns herum.

Unser Wissen um die Leugnung wurde stark beeinflusst durch das 1969 erschienene Buch “Über Tod und Sterben” der Schweizer Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross. Sie hat mit todkranken Patienten gearbeitet. Kübler-Ross sagte, die Leugnung sei eine Phase, die wir überwinden können. Aber Dr. Varki spricht von etwas ganz anderem – einem angeborenen Merkmal, das in der Evolutionsbiologie entwickelt wurde. In diesem Sinne ist es nichts, woran wir vorbeikommen können.

Download or listen to this 31 minute interview with Ajit Varki in CD Quality or Lo-Fi

Vielleicht ist ein besserer Vergleich der Film mit dem Komiker Jim Carrey aus dem Jahr 1997. In diesem Film “Lügner, Lügner” findet Carrey, dass er keinen einzigen Tag in der Gesellschaft überstehen kann, ohne die Fähigkeit zu lügen. Für ihn macht die Wahrheit und nichts als die Wahrheit das gesellschaftliche Leben unmöglich. Das ist Teil dessen, wovon Varki spricht, aber es geht tiefer.

Ich denke, die Notwendigkeit der täglichen Leugnung geschieht in uns allen. Wenn ich meine Kinder in der nächsten Stadt besuchen will, muss ich mein Bewusstsein verbergen, dass die fossilen Brennstoffe, die ich in meinem Auto verbrenne, tatsächlich dazu beitragen werden, ihre Zukunft zu verschlechtern. Wir können ohne sie nicht zurechtkommen, aber können wir die Leugnung besser kontrollieren, so dass sie keine wichtigen Gefahren birgt? Dr. Varki glaubt, dass wir lernen können, mit der Leugnung umzugehen, so dass sie uns nicht so sehr schadet, wie beim Klimawandel.

Er schlägt ein paar Dinge bezüglich des Klimawandels vor, bei einer Spezies, die mit Verleugnung geboren wurde. Erstens ist die frühkindliche Bildung wichtig. Wenn das Kind in der Schule und zu Hause lernt, dass der Klimawandel real ist und wir ihn verursachen, ist die Wahrscheinlichkeit einer Ablehnung später geringer.

Zweitens sagt Varki, dass Klimaaktivisten und Kommunikatoren die Dinge vielleicht als lokale Auswirkungen einrahmen sollten. Niemand reagiert wirklich auf die allgemeine Vorstellung eines globalen Anstiegs um zwei Grad. Aber wenn wir sagen können “diese Ernte wird in Ihrer Region versagen” oder “Ihre Stromrechnung wird durch die Decke gehen und versuchen, kühl zu bleiben”, oder “Ihr Gebiet wird wahrscheinlich durch extreme Regenfälle immer wieder überschwemmt” – dann kann man sich direkt auf das beziehen, was kommt.

Es gibt so viele Anwendungen für die Möglichkeit der Verleugnung. Ich denke an Raucher, die weiter rauchen, oder dass einer von drei Amerikanern jetzt fettleibig ist, trotz offensichtlicher und bekannter medizinischer Komplikationen. Wenn Verleugnung der Kern unserer Fähigkeit ist, weiterzumachen, scheint es auch etwas zu sein, das die Tabak- und Nahrungsmittelkonzerne ausnutzen können, um Profit zu machen.  Wir werden benutzt, gerade weil Verleugnung so einfach ausgelöst werden kann.

Wir leugnen sogar, dass die Leugnung stattfindet.  Leugner des Klimawandels werden diesen Artikel nicht bis hierher gelesen haben, sondern vorher abbrechen.

Varki wirft ein Problem auf, das über die Leugnung hinausgeht. Wir gehen wahrscheinlich ungewöhnliche Risiken ein oder denken, dass alles mit großen Herausforderungen wie dem Klimawandel klappen wird, weil wir “optimistisch sind”. Mehr dazu finden Sie in diesem Buch “The Optimism Bias: A Tour of the Irrationally Positive Brain” von Tali Sharot.  Oder diesen TED Talk.

 

Wir Menschen stolpern umher und zerstören diesen Heimatplaneten mit sehr begrenztem Bewusstsein. Angesichts der Untersuchungen von Varki kann man sagen, dass wir nicht wirklich wissen, wer wir als Spezies sind. Möglicherweise gibt es sogar angeborene Barrieren, die uns daran hindern, es wirklich herauszufinden.

Die Webseite von Ajit Varki finden Sie hier web page here, die Seite für sein Labor  here.

I also like this radio interview on CBC Radio “The Current”, June 19, 2013.

Alex Smith, MEINE EINSTELLUNG ZU AJIT VARKI

 

Dank Ihnen als Zuhörer habe ich das Privileg, mit vielen sehr klugen Frauen und Männern auf der ganzen Welt zu sprechen.  Aber ich werde selten sagen, dass wir uns mit einem wahren Genie getroffen haben, so wie diesmal mit Ajit Varki. Als ich begann, seine veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten zu überprüfen, war ich erstaunt. Es gibt Hunderte, zu viele, um sie zu zählen, die bis 1977 zurückreichen, und über ein Dutzend in diesem Jahr.  Viele werden in den besten wissenschaftlichen Zeitschriften der Welt veröffentlicht.

 

Wie Sie in diesem Interview gehört haben, finde ich auch die Art von Demut, die das wahre Genie begleiten kann. Ajit Varki weiß, was er nicht weiß, und hat das Gefühl, in schwierige dunkle Orte zu schauen, an denen Menschen noch nie zuvor waren.

 

Dr. Varki ist kein Klimaforscher, aber er ist in Kontakt mit dem Feld, und er weiß, dass wir das richtig machen müssen und niemals zurückgehen können, wenn wir es nicht tun. Ich hoffe, dass Sie helfen werden, dieses Interview über Ihre eigenen Social Media und Freunde zu verbreiten. Es erklärt so viel darüber, wie die Verleugnung um uns herum auf so viele Arten gedeiht.

 

Dieses Interview wurde mir von Rob Mielcarski vorgeschlagen, der bei undenial.wordpress.com bloggt. Rob hat eine kurze Zusammenfassung von Varki und Brower’s Arbeit vorbereitet. Es ist eine ausgezeichnete Tür.  Rob hat auch eine längere Zusammenfassung dieser Theorie der menschlichen Leugnung veröffentlicht, wie sie von Ajit Varki und Danny Brower geschrieben wurde. Surf Rob’s unleugnlicher Blog, oder hol dir den Link von meinem ecoshock Blog. Es lohnt sich, das zu bekommen, um zu sehen, wie wir es schaffen, so viele Realitäten zu verleugnen. Es ist ein Wunder, dass wir überhaupt überleben.

ARD Brennpunkt Klimawandel Sven Plöger und Prof. Lesch

Im ARD Brennpunkt zur Sommerhitze 2018 erklärt Sven Plöger den Einfluss des Klimawandels.
Anschließend ein Schnappschuss aus einem Vortrag von Harald Lesch zu dem Thema.

Christoph Albuschkat, in der Mainzer Urstrom Genossenschaft engagiert: “Zur Veranschaulichung: Wir müssen runter von 11 auf 3 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr in Deutschland. Also etwa -75 %. Im Durchschnitt! Sehr schnell!”

Aufbau neuer Handlungsroutinen

Der volle Vortrag von Harald Lesch.

Generationenmanifest unterstützen

Unser Wachstumswahn droht die Erde für unsere Nachkommen unwirtlich zu machen, warnen 45 Persönlichkeiten und legen ein “Generationen-Manifest” vor, um den kurzsichtigen politischen Debatten hierzulande etwas entgegenzusetzen. Es enthält zehn Forderungen für den Koalitionsvertrag.

Hans Joachim Schellnhuber ist genauso dabei wie Ernst Ulrich von Weizsäcker, Hannes Jaenicke oder Felix Finkbeiner: 45 Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und öffentlichem Leben appellieren an die nächste Bundesregierung, sich den zehn größten Gefahren für die kommenden Generationen zu stellen. Es geht um Herausforderungen wie Krieg, Klimawandel, Armut, Hunger und Ungerechtigkeit.

Die Lage fassen die Initiatoren in einem Satz zusammen: “Unsere Leistungsgesellschaft mit ihrem Produktions- und Wachstumswahn ist dabei, die Erde für unsere Nachkommen unwirtlich und unbewohnbar zu machen.” In Deutschland hätten die meisten Parteien aber nicht einmal einen Planungsmaßstab, der die Interessen der nächsten Generation angemessen berücksichtigen könne.

In einem “Generationen-Manifest” haben die 45 Aufrufer deshalb zehn Punkte aufgelistet, die die kommende Bundesregierung im Koalitionsvertrag unbedingt berücksichtigen soll. So heißt es zum Klimaschutz: “Wir fordern die Bundesregierung auf, den Einsatz fossiler Brennstoffe bis 2040 zu beenden sowie ein tragfähiges Konzept für CO2-Besteuerung beziehungsweise Emissionshandel vorzulegen.” Weitere konkrete Forderungen betreffen Bildung, Migration, Digitalisierung, Müll und Unternehmenshaftung.

Das Generationen-Manifest ist die Fortschreibung eines ersten Manifests von 2013, das mehr als 105.000 Menschen unterzeichneten. Nach einer intensiven Diskussion mit Experten aller Altersstufen formulierte eine Gruppe um den Klimaforscher Schellnhuber, die Ökonomin Maja Göpel und andere vor einigen Wochen die Endfassung.

 

Die Generationen-Initiative richtet den Blick auf Entscheidungen, die erst unsere Nachkommen betreffen – wie beim Klimaschutz.

“Nicht länger so tun, als wäre nichts”

Die Initiatoren sehen ihr Manifest als Startschuss für einen langfristigen Dialog mit der Zivilgesellschaft. Generationengerechtigkeit soll wieder in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte rücken. Die abschließende Forderung lautet, “Generationengerechtigkeit in das Grundgesetz aufzunehmen und so sicherzustellen, dass Haftungsforderungen im Namen zukünftiger Generationen eingeklagt werden können”.Das Generationen-Manifest könne viel bewegen, “wenn wir aufhören so zu tun, als wäre nichts”, sagt Ko-Autorin Maja Göpel. Stattdessen sei jetzt die Zeit, “die Themen auf den Tisch legen und gemeinsam an der Welt arbeiten, die wir uns alle zusammen vorstellen”. Auch Schellnhuber sieht die Krise als Chance: “Wir können vermeiden, dass unsere Nachkommen schlechtere Lebenschancen haben als wir.”

Hier können Sie sich den Forderungen im Generationen-Manifest mit Ihrer Unterschrift anschließen.Eine Petition auf Change.org fordert, die zehn Punkte in den Koalitionsvertrag aufzunehmen

Quelle: klimaretter.info

Klimalotse

Aufgrund der zunehmend spürbaren Folgen des Klimawandels aber auch aufgrund der wachsenden praktischen Erfahrungen mit der Anpassung an diese Folgen, Fortschritten beim Wissensstand und Veränderungen der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen in der Anpassung hat adelphi den Klimalotsen im Auftrag des Umweltbundesamtes grundlegend überarbeitet.

Der Leitfaden richtet sich nun spezifisch an Nutzerinnen und Nutzer aus Kommunalverwaltungen und unterstützt Kommunen bei der Erreichung von drei unterschiedlichen Zielen:

  1. bei der Entwicklung einer Anpassungsstrategie
  2. der Entwicklung einer integrierten Klimaschutz und -anpassungsstrategie
  3. bei der Umsetzung einzelner Maßnahmen zur Anpassung an Folgen des Klimawandels

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Für Fragen stehen steht die Research Analystin Theresa Kaiser gerne zur Verfügung.

Web:     http://www.adelphi.de

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Linkedin.com/company/adelphi-berlin
Facebook.com/adelphi.de

Flucht vor dem Klima

Die Deutsche Welle hat einen guten Film zum Thema Klimafüchtlinge gemacht.

DW_Klimaflüchtlinge1Mit 350 Millionen Klimaflüchtlingen rechnet die UN bis 2050 weltweit. Mehr noch als Kriege vertreiben die verheerenden Folgen des Klimawandels sie aus ihrer Heimat. Wovor genau fliehen sie? Was sind die Herausforderungen für den Rest der Welt?

Afrikanische Stimmen zum Klimawandel

Letzten Montag ist parallel zum Start der Pariser Klimakonferenz meine Informationsplattform “African Climate Voices – Afrikanische Stimmen zum Klimawandel” online gegangen, und ich würde mich sehr über Ihr Feedback und eine eventuelle Weiterleitung dieser Informationen an interessierte Kolleginnen und Kollegen freuen.

Herzliche Grüße aus Hannover !

Björn Jürgensen

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“African Climate Voices” – Afrikanische Stimmen zum Klimawandel – jetzt online

 

Die Informationsstelle Südliches Afrika (issa) begleitet den Weltklimagipfel in Paris (November/Dezember 2015) mit einem Informationsportal zum Klimawandel im südlichen Afrika. Die “African Climate Voices” richten sich an die in diesem geografischen Gebiet aktiven Eine-Welt-Initiativen, Afrikagruppen, Klima- und Umweltschutzorganisationen und Institutionen. Zudem wollen wir alle am südlichen Afrika und an Klimafragen interessierten Personen erreichen. Ziele der Plattform sind die Intensivierung des (trans-)nationalen Süd-Nord-Austauschs im Kontext des UN-Klimagipfels in Paris im Dezember 2015, die entwicklungspolitisch bedeutende Informationsvermittlung über den Klimawandel und dessen Folgen im südlichen Afrika und die Dokumentation und Verbreitung der Stimmen aus dem südlichen Afrika.

http://africanclimatevoices.com/

Klimaschutz und Gerechtigkeit

Du hast einen schrulligen Onkel der immer noch sagt “Hör’ mir auf mit Klimawandel, die Wissenschaftler sagen jedes Jahr was anderes? Einen Kollegen,  der kundtut “alles halb so schlimm, was geht mich der Klimawandel an”?  Einen Chef der ruft: “Wachstum ist am wichtigsten für uns, später werden wir schon was gegen den Klimawandel erfinden”?

Der RBB Film Klimaschutz und Gerechtigkeit ist bestens geeignet für Aufklärung zu sorgen.

Klimaschutz und Gerechtigkeit

16.11.2015 | 28:53 Min. | UT | Verfügbar bis 16.11.2016 | Quelle: Rundfunk Berlin-Brandenburg

KlimaschutzUndGerechtigkeit3Trotz der blutigen Anschläge will Frankreich Ende des Monats Gastgeber des Klimagipfels in Paris bleiben. Die hohen Kohlenstoffwerte in der Atmosphäre und die Erderwärmung zwingen zum Handeln. Der heißeste Sommer seit Beginn der Messungen brachte Deutschland Tornados, brennende Getreidefelder und einen riesigen Flüchtlingsstrom. Gibt es da Zusammenhänge?

KlimaschutzUndGerechtigkeit2
Öl-Lobby sponserte Kriegsverbrecher

Klasse Beiträge gibt es von der RBB OZON Redaktion.

Populäre Wissenschaft
Auf allen weiteren Montags-Sendeplätzen setzt die Redaktion Wissenschaft/Bildung populäre Wissenschafts-, Tier- und Naturfilme ein, die selbst produziert oder von anderen ARD-Anstalten übernommen werden.

WissensZeit im rbb
Das Bildungsangebot des rbb Fernsehens, montags bis freitags, 6:20 Uhr bis 6:50 Uhr.

nano
Die Redaktion arbeitet am 3sat-Wissenschaftsmagazin “nano” mit, das gemeinsam von ARD, ZDF, ORF und dem Schweizer Fernsehen produziert wird. Das rbb Fernsehen sendet  “nano” montags bis freitags um 6:50 Uhr.

 

Birgit Berg: “Wer sich das Denken abnehmen läßt, darf sich nicht wundern, wenn man ihm bald auch den Kopf abnimmt.”

Schau nach wo du wohnst

Welche Auswirkungen wird der Klimawandel in der Stadt oder in der Region haben, in der Du wohnst?
Welche Maßnahmen zur Anpassung sind vielleicht auch schon geplant?

Tools für ganz Deutschland:
Hier erhältst Du einen Überblick über Klimafolgen und kannst Dich über Karten orientieren.

KlimafolgenOnline (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung)

Deutscher Klimaatlas (Deutscher Wetterdienst)

Regionaler Klimaatlas Deutschland (Helmholtz-Zentrum Geesthacht)Yields1

Informationen und Projekte für bestimmte Regionen:
Hier gibt es vertiefte Informationen für einzelne Regionen und Sektoren über Klimafolgen und Anpassung.

Klimzug – Klimawandel in Regionen (Bundesmin. für Bildung und Forschung)

Klimalotse (Umweltbundesamt)

INKAS Informationsportal KlimaAnpassung in Städten (Deutscher Wetterdienst)

Klimafolgen-Atlas für Europa

Ein Atlas, der die Auswirkungen einer Temperaturerhöhung um 2 °C für Europa darstellt:

https://www.atlas.impact2c.eu/en/Yields2

COP21: Schutzlos

Insel- und Entwicklungsländer kritisieren schärfer denn je: Das Zwei-Grad-Ziel reicht nicht, um ihr Überleben zu sichern

Text: Wolfgang Hassenstein

Man stelle sich vor, Deutschland sei ein Inselstaat in der Nordsee, und Wissenschaftler prognostizierten seinen vollständigen Untergang irgendwann in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts. Allen sei klar, dass der ungezügelte Ausstoß von Treibhausgasen in riesigen Staaten auf der anderen Seite des Planeten der Grund dafür ist. Auch die Menschen in diesen Ländern wüssten seit Jahrzehnten vom Schicksal der Germanischen Inseln, aber sie seien nicht bereit, ihren Lebensstil zu ändern.

Erst als es ihnen dämmert, dass der Klimawandel auch ihnen selbst ernste Probleme bereiten wird, einigen sie sich mit Ach und Krach auf ein sogenanntes „Zwei-Grad-Ziel“. Eine verzweifelte Kanzlerin erklärt auf großen Konferenzen immer wieder, dass die Deutschen ihr Land verlieren werden, wenn die Erde sich tatsächlich derart stark erwärmt. Ihr wird aber nur entgegnet, ein schärferes Klimaziel sei „unrealistisch“, dafür sei es jetzt leider schon zu spät.

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Die V20-Staaten fordern stellvertretend für viele besonders verwundbare Länder das 1,5-Grad-Ziel Karte: Carsten Raffel

Genau in dieser Situation befinden sich verschiedene kleine Inselstaaten wie Kiribati, Tuvalu, Vanuatu und die Malediven. Und nicht nur für sie ist die Erderwärmung eine existenzielle Bedrohung, sondern auch für große Länder wie Bangladesch mit seinen 160 Millionen Einwohnern. „Wir lehnen es ab, das Opfer der internationalen Gemeinschaft in Paris zu sein“, erklärte Anwar Hossain Manju, der Umweltminister des Landes, zur Eröffnung der Pariser Klimakonferenz. „Wenn unser Überleben hier nicht auf den Tisch kommt, wird damit eine rote Linie überschritten. Alle Parteien haben die Pflicht zu handeln. Es nicht zu tun, ist ein Verbrechen.“ Offensichtlich treten die durch den Klimawandel besonders gefährdeten Staaten auf der COP21 so entschlossen und stark auf wie nie zuvor.

Schon auf den letzten Klimagipfeln hatten etwa die „Allianz der kleinen Inselstaaten“ (AOSIS) sowie die „Gruppe der ärmsten Länder“ (LDC) ehrgeizigere Klimaziele eingefordert. Mehrfach machten ihre Vertreter mit flammenden Reden auf ihre Situation aufmerksam: „Für uns ist das hier nicht einfach ein Treffen. Es geht um Leben oder Tod“, erklärte 2009 Mohammed Nasheed, der damalige Präsident der Malediven, auf der Konferenz in Kopenhagen.

Kurz zuvor hatte er mit seinen Ministern medienwirksam die weltweit erste Kabinettssitzung auf dem Meeresboden abgehalten. „Bei einem Temperaturanstieg von mehr als 1,5 Grad wird mein Land untergehen, die Korallenriffe werden sich auflösen und unsere Ozeane versauern“, warnte Nasheed. „Das gesamte Klima des Planeten wird aus den Fugen geraten.“ Die Konferenz scheiterte trotzdem.

Und vor zwei Jahren erklärte bei der COP19 in Polen Yeb Saño, der Delegierte der Philippinen, mit tränenerstickter Stimme: „Die Klima-Krise ist ein Wahnsinn.“ Damals verwüstete pünktlich zum Konferenzauftakt der Monster-Taifun Haiyan mit nie dagewesener Wucht seine Heimat und riss tausende seiner Landsleute in den Tod. Saños emotionaler Ausbruch machte im Konferenzzentrum für einige Minuten die Klimarealität regelrecht spürbar: „Lasst uns diesen Wahnsinn stoppen“, rief er, „hier in Warschau“.

Diese „neue Klimarealität“ nehmen nun, auf der COP21, gleich mehrere Staatengruppen zum Anlass, das in Kopenhagen offiziell beschlossene Zwei-Grad-Ziel wieder in Frage zu stellen: Die Obergrenze der Erwärmung müsse auf 1,5 Grad Celsius abgesenkt werden, um das Überleben dieser Staaten zu ermöglichen.
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In einer zum Konferenzbeginn vorgestellten „Manila-Paris-Erklärung“ äußern sich die Staats- und Regierungschefs der Vulnerable Twenty Group (V20) „tief besorgt über die neue Klimarealität“. Neue Forschungsergebnisse hätten gezeigt, dass das derzeit geltende Zwei-Grad-Ziel „unangemessen“ sei.

Zur V20-Gruppe haben sich Länder aus Südasien, Afrika und Mittelamerika zusammengeschlossen, mehrere Inselstaaten im Pazifik und der Karibik sowie die Mongolei und Nepal. Sie sind von der ganzen Bandbreite der Klimafolgen betroffen: steigende Meeresspiegel und sterbende Riffe, Lawinen, Erdrutsche und Überschwemmungen, tropische Wirbelstürme, Dürren und Hitze. Die Forderung: 100 Prozent Erneuerbare bis 2050, eine „Dekarbonisierung“ der Weltwirtschaft nicht bis zum Ende, sondern schon bis zur Mitte des Jahrhunderts.

Dabei betonen sie auch die Chancen der globalen Energiewende: „Es ist ein Mythos, dass Einschnitte bei den Emissionen das wirtschaftliche Wachstum gefährden“, erklärte der Außenminister von Costa Rica mit Verweis auf entsprechende Erfolge im eigenen Land.

Überdies forderten im März in der „Kairo-Erklärung“ auch alle 54 Staaten Afrikas die Absenkung des globalen Klimaziels auf 1,5 Grad, und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi, in dessen Land das fruchtbare Nildelta vom Untergang bedroht ist, trug die Forderung nach Paris. Unterstützung erhielten sie übrigens von UN-Experten, die vor der Pariser Konferenz erklärten, das 1,5-Ziel sei nicht nur empfehlenswert, sondern noch machbar. Nötig sei der politische Wille.

Dass sich die Weltgemeinschaft in Paris tatsächlich auf das ehrgeizigere Temperaturziel einigt, welches die Risiken des Klimawandels erheblich mindern würde, gilt als sehr unwahrscheinlich. Die verwundbaren Staaten werden deshalb in den kommenden Jahrzehnten versuchen müssen, sich an den Klimawandel „anzupassen“ – mit finanzieller Unterstützung der Industriestaaten.

Das Thema Geld wird deshalb in Paris eine entscheidende Rolle spielen. Zugleich steigt die Gewissheit, dass den Bewohnern niedrig liegender Inseln schließlich nichts anderes übrig bleibt als der Umzug.

Quelle Greenpeace Magazin